
Schönheit im Ortsbild
Oft sind es die historischen Baustrukturen, die nach dem Besuch eines Ortes im Gedächtnis bleiben – sie besitzen einen Wiedererkennungswert. Diese Bilder beziehen sich auf die ortsbauliche Setzung der Bauten, die Gestaltung des Strassenraums sowie die Gestaltung und Orientierung der Gebäude selbst. Viele davon werden als «schön» bezeichnet. Dies ist nicht nur Geschmackssache, sondern kann auf gestalterische Gesetzmässigkeiten zurückgeführt werden.
Als angenehm wird eine Situation empfunden, die ein ausgewogenes Verhältnis von Ordnung und Komplexität aufweist. Ähnliche Strukturen und wiederkehrende Gestaltungselemente erzeugen eine einheitliche und ruhige Ansicht. Die unterschiedlichen Gebäudegrössen, -farben, -orientierungen und die unterschiedliche Stellung zum Strassenraum erzeugen eine subtile Varianz.
Ausnahmen in dieser Regel sind historisch gesehen die öffentlichen Bauten wie Rathaus, Schule und Kirche. Heute zeigen sich erheblich mehr dieser Ausnahmen. Je heterogener die Bebauung wird, umso weniger lassen sich Ordnungsprinzipien erkennen, die als Gegenpol zur starken Individualisierung wirken.

Herausforderungen für die Schönheit
Ist die Qualität eines Ortes direkt verbunden mit der Wahrnehmung von Ordnung, Struktur und Gestaltungsprinzipien, so gilt es diese zu stärken, um das Ortsbild zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wird die gestalterische Ordnung gestärkt, so wird auch der Wiedererkennungswert verbessert. Ordnungsprinzipien definieren folglich die visuelle Identität des Ortes und stehen somit für die gestalterische Qualität des Ortsbildes. Für die verschiedenen Quartiere werden sich wiederholende Merkmale analysiert und ortsbauliche Zielsetzungen für die künftige Quartieransicht festgelegt.
Die technischen Möglichkeiten im Bauwesen veränderten sich stetig. Die einst einheitliche Bauweise und dadurch entstehende Gestalt der Gebäude ist technisch nicht mehr notwendig. Es entstehen zunehmend unterschiedliche Gebäude unter der Forderung der Einzigartigkeit und folglich heterogene, komplexe Ortsbilder, die unruhig und willkürlich erscheinen.
Heterogenität entsteht ganz von alleine, für die gesuchte Ruhe und Ordnung im Ortsbild braucht es einen gemeinsamen, kommunalen Willen und entsprechende Kommunikationsmethoden, die den Wert eines ausgewogenen Ortsbildes aufzeigen.
Lokalspezifische Gestaltungsleitlinien wie das Baumemorandum ermöglichen die Weiterentwicklung ohne starre oder gar historisierende Vorschriften.

Ähnlichkeit schafft Identität
Ortsbilder sind einzigartig. Kein Bild gleicht dem anderen. Die lokalen Gegebenheiten, wie das Klima, die Bautraditionen oder das Baumaterial prägen Orte. Zwar lassen sich regionale und auch lokale Ähnlichkeiten bzw. gestalterische Verwandschaften erkennen, trotzdem sind die Bauten nicht identisch. Genau diese Verwandschaft, diese DNA des Ortsbildes, führt zu einem ausgewogenen Verhältnis von Ordnung und Komplexität.
Zur Orientierung sucht das Auge Merkpunkte, Wiedererkennungsmerkmale und versucht über die Ähnlichkeiten eine Zuordnung im Raum zu schaffen. Verblassen diese Wiedererkennungsmerkmale im Ortsbild, so verblasst auch die Zuordnung des Ortsbildes in eine Region und die Identifkation mit dem Ort. Das Ortsbild wird beliebig und austauschbar. In der Folge werden sich die Bewohnenden mit diesem Quartier weniger identifizieren.

Einzigartigkeiten pflegen
Lokalspezifische Gestaltungsleitlinien wie das Baumemorandum ermöglichen die Weiterentwicklung lokalspezifischer Eigenheiten ohne starre Vorschriften. Über die Darstellung der gemeinsamen Merkmale in der Fassadenabwicklung können die für das Ortsbild wichtigen gestalterischen Verwandschaften aufgezeigt werden. Zusätzliche Hinweise zur Qualität und für die zukünftige Weiterentwicklung geben Anhaltspunkte für die Gestaltung von Neu- und Umbauten.
Das Ortsbild entwickelt sich in der DNA des Ortes weiter und es entstehen weiterhin verwandte und vertraute Bauten mit lokalem Bezug.